Afghanische Zusammenarbeit

Seit April dieses Jahres ist Joscha Greuel Teil unseres Softwareentwicklerteams und Leiter der Abteilung Solution Center Logistics. Schon vor seiner Tätigkeit bei der Kern AG war Joscha als Softwareentwickler und vor allem aber Projektmanager mit SAP-Bezug selbständig. Außerdem setzt er sich seit einigen Jahren als Vorstandsmitglied der Deutsch-Afghanischen Initiative für afghanische Entwickler ein. Was das genau bedeutet, erzählt Joscha in dem folgenden am 18. Mai 2021 erschienen Artikel der Badischen Zeitung.

 

Aufträge aus Deutschland für afghanische Computerfachleute

(von Anja Bochtler)

Er ist Softwareentwickler und engagiert sich für die Deutsch-Afghanische Initiative – und inzwischen verbindet Joscha Greuel beides miteinander. In den vergangenen Jahren hat er ein Büro in der afghanischen Stadt Herat mit aufgebaut, dessen Mitarbeiter Software-Aufträge aus Deutschland bekommen. Sein Ziel sind weitere afghanische Büros. Die Chancen dafür steigen auch deshalb, weil Joscha Greuel inzwischen beim Freiburger Softwareunternehmen Kern AG angestellt ist, das die Zusammenarbeit unterstützt.

Eigentlich ist Joscha Greuel Mathematiker. 1998 hat er seinen Abschluss an der Uni in Freiburg gemacht. Danach stieg er in die Software-Entwicklung ein, ein paar Jahre später verlagerte er sich vom Programmieren aufs Projektmanagement. Seitdem konzentriert er sich auf Produkte des großen Softwarekonzerns SAP. Bis vor kurzem hat er freiberuflich gearbeitet. Der Hauptgrund dafür war, dass er mehr und flexibler Zeit für seine Familie haben wollte: Er hat fünf Kinder zwischen 9 und 26 Jahren.

Neben Arbeit und Familie beschäftigt Joscha Greuel seit 20 Jahren auch Afghanistan: Es fing an, als er bei der damals umstrittenen deutschen Beteiligung an dem Militäreinsatz zum ersten Mal einen deutschen Militäreinsatz nicht komplett abgelehnt habe, sagt er. Das heiße zwar nicht, dass er dafür gewesen sei, doch ihm sei bewusst gewesen, wie zugespitzt die Lage in Afghanistan war: "Das Land war von den Taliban unterjocht." Joscha Greuel fühlte sich durch die deutsche Beteiligung mitverantwortlich für die Lage in Afghanistan. Deshalb ging er zu einer Veranstaltung der Deutsch-Afghanischen Initiative. Der Verein organisierte Unterstützung für die afghanische Bevölkerung, von Freiburg aus starteten LKWs mit Hilfslieferungen. Joscha Greuel war von den Menschen im Verein beeindruckt. Mitglied wurde er aber erst vor zehn Jahren, seit fünf Jahren ist er im Vorstand.

Als er vor drei Jahren selbst in Afghanistan war, wurde ihm klar: "Dort gibt es riesige Potenziale, die genutzt werden müssen." Trotz vielfältiger Beeinträchtigungen sei in dem Land ein relativ normaler Alltag möglich, die Bildungs- und Ausbildungssituation sei inzwischen teilweise sehr gut.

Und weil in der IT außer einem Laptop, Strom und einer Internetverbindung kaum Ausstattung nötig ist, fing er an, Kontakte zu schaffen zwischen afghanischen Computerfachleuten und deutschen Unternehmen. Die Kontakte liefen über einen Freund von ihm in Herat, der ihn an Informatik-Dozenten und Studierende kurz vor dem Abschluss vermittelte. So entstand ein Büro in Herat mit inzwischen sieben Teilzeit-Mitarbeitern. Joscha Greuel vermittelte ihnen Aufträge von den Unternehmen, für die auch er arbeitete. Das Büro in Herat testet neue deutsche Software. Seit kurzem ist Joscha Greuel bei einem der Unternehmen, mit dem er zuvor freiberuflich zu tun hatte, angestellt: Die Kern AG, die in Freiburg 50 Mitarbeitende hat. Die Firma sei sehr interessiert an der Kooperation mit Kollegen in Afghanistan, sagt er. Und nicht nur dort: der Geschäftsführer habe über den Bund Katholischer Unternehmer auch Kontakte nach Ghana. Deshalb habe die Kern AG kürzlich ein Online-Training für Studierende in Ghana angeboten, nach dem diese sich als IT-Berater oder Produkt-Verkäufer selbständig machen könnten.

Joscha Greuel will die Zusammenarbeit mit Afghanistan ausbauen. Als Nächstes plant er ein Büro mit Programmierern und Software-Entwicklern in Kabul. Die Auslagerung deutscher Aufträge sei für beide Seiten reizvoll, sagt er: Den IT-Experten in Afghanistan böten sie Perspektiven und deutsche Unternehmen müssten für die Arbeit weniger bezahlen. Die Gefahr, dass dadurch Arbeitsplätze in Deutschland ersetzt werden, sieht er nicht: "In Deutschland gibt es keine Arbeitslosen im IT-Bereich, der Bedarf ist viel zu groß."